Vitamin-B3: Überschuss löst Gefässentzündungen aus (2024)

Bisher galt: Ein Überschuss an wasserlöslichen Vitaminen wird einfach ausgeschieden. Doch für Vitamin B3 stimmt das so nicht.

Stephanie Lahrtz

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Vitamin-B3: Überschuss löst Gefässentzündungen aus (1)

Pillen, Pulver, Brausetabletten oder Säfte mit Vitaminen und Spurenelementen gehören für immer mehr Menschen zur täglichen Ernährung dazu. Frei nach der Devise: «Vielleicht habe ich einen Mangel, dann beuge ich dem mal vor, schaden tut es ja nicht». Doch eine Überdosierung mancher Substanzen kann durchaus der Gesundheit schaden, und zwar nicht erst dann, wenn man Nahrungsergänzungsmittel exzessiv konsumiert. Zu den problematischen Substanzen könnte gemäss einer neuen Studie auch Vitamin B3 zählen.

Die wissenschaftliche Bezeichnung für Vitamin B3 lautet Niacin. Das ist ein Sammelbegriff für die chemisch leicht unterschiedlichen Stoffe Nicotinsäure und Nicotinamid. Beide sind wichtig für unseren Energiestoffwechsel, aber auch unser Nervensystem und zahlreiche andere Prozesse im Körper.

Fachgesellschaften empfehlen als Tagesdosis für Frauen 12 Milligramm Niacin, für Männer 16, für Jugendliche 13 und für Kinder 10. Wer sich ausgewogen und abwechslungsreich ernährt, nimmt diese Menge mit dem normalen Essen zu sich. Viel Niacin ist in Fleisch, fetten Fischen oder Pilzen enthalten, jeweils zwischen 4 und 7 Milligramm pro 100 Gramm.

Studien und Befragungen zeigen jedoch, dass die meisten Menschen in den Industrieländern das Drei- bis Fünffache der nötigen Tagesdosis zu sich nehmen. Das schien kein Problem zu sein, gelten doch erst mehr als 900 Milligramm Niacin als schädlich. Dann kommt es zu Juckreiz, Magen-Darm-Beschwerden und auch Leberschäden.

Niacin-Überschuss erhöht das Risiko für Herzerkankungen

Da das Vitamin B3 wasserlöslich ist, gingen Fachleute davon aus, dass die vom Körper nicht verwendete Menge einfach mit dem Urin ausgeschieden wird. Doch laut der neuen Studie werden überschüssige Niacinmoleküle im Körper weiterverarbeitet statt sofort entsorgt. Es entstehen unter anderem zwei Moleküle namens 2PY und 4PY. Diese kurbeln die Produktion eines Proteins an, das Entzündungen der Blutgefässe anheizt.

Ein Überschuss an Niacin könne somit bei Menschen zu Gefässentzündungen führen, betonen die Autoren in der Fachzeitschrift «Nature Medicine». Zudem wiesen Personen mit einer erhöhten Konzentration an 4PY im Blut ein fast doppelt so hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall auf. 2PY erhöht das Risiko dafür nur dann, wenn die Nieren nicht mehr voll funktionsfähig sind. Untersucht wurden mehr als 4000 Probanden aus den USA und Europa.

Man müsse offenbar die Sicherheit von Niacin neu bewerten, schreibt das Wissenschafterteam. Zwar können die Forscher nicht sagen, welche Menge an Niacin denn nun wirklich schädlich ist. Doch die Ergebnisse der Studie liessen den Schluss zu, dass man nicht deutlich über die empfohlene Tagesdosis hinausgehen sollte.

Lebensmittel können mit Niacin angereichert sein

Den eigenen Konsum von Niacin genau im Auge zu behalten, das ist aber nicht ganz so banal, wie es tönt. Niacin darf nämlich nicht nur Pillen und Pulvern zugesetzt werden, sondern auch Lebensmitteln. In der Schweiz dürfen angereicherte Lebensmittel bis zu 200 Milligramm Niacin und Nahrungsergänzungsmittel bis zu 600 Milligramm pro Tagesportion enthalten. In der EU sind noch keine Höchstmengen festgelegt.

Welchen Lebensmitteln in der Schweiz oder Deutschland derzeit Niacin zugesetzt wird, dazu gibt es keine offiziellen Listen. Denn eine Anreicherung muss nicht registriert, sondern nur auf der Verpackung deklariert werden. Manchen Backwaren, Frühstückscerealien oder Fruchtsäften wird zum Beispiel Niacin zugesetzt.

In den USA und anderen Ländern wird jedes Mehl mit Niacin angereichert. Das hat historische Gründe: Während der Great Depression in den 1920er Jahren und 1930er Jahren konnten sich viele Menschen nicht ausgewogenen ernähren. Sie assen vor allem Mais- und Getreideprodukte. Doch damit allein kann man nicht die nötige Tagesdosis Vitamin B3 – und auch anderer Vitamine – erreichen. Tausende Menschen starben an Vitamin-B3-Mangel.

Auch zu viel Vitamin A oder E schadet

Eine Reduktion von Nahrungsergänzungsmitteln könnte nicht nur im Hinblick auf Niacin angebracht sein. Beispielsweise schadet eine dauerhafte Überdosierung von Vitamin A dem Knochenbau und erhöht bei Rauchern das Risiko für Lungenkrebs. Zu viel Vitamin E kann Magen-Darm-Beschwerden verursachen oder erhöht das Risiko für Prostatakrebs. Menschen, die über einen längeren Zeitraum hinweg hochdosierte Multivitaminpräparate mit viel Vitamin A, E und Betacarotin einnahmen, lebten im Durchschnitt weniger lang als Kontrollprobanden.

Zudem interagieren manche Vitamine und Mineralstoffe mit einigen Medikamenten und mindern oder verstärken deren Wirkung. Da für Schwangere und Stillende keine Erkenntnisse zu potenziell schädlichen Mengen vorliegen, sollten diese gemäss Fachgesellschaften keine Niacin-haltigen Nahrungsergänzungsmittel konsumieren.

Wie der Name schon sagt, sollen solche Produkte die Nahrung ergänzen, nicht ersetzen. Menschen verzichten aus verschiedenen Gründen auf gewisse Lebensmittel – oder sie können sich eine ausgewogene Ernährung nicht leisten. Andere haben wegen einer Erkrankung einen erhöhten Bedarf an manchen Vitaminen und Spurenelementen. Was und wie viel im Einzelfall jeweils wirklich nötig ist, das sollte man mit einer Ärztin oder einem Arzt abklären.

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